In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg entstanden auf den Masi di Lasino für die Brüder Oreste und Giulio Pisoni neue Aufgaben in der Landwirtschaft.
Der Krieg hatte sich auf das Gemüt der beiden jungen Bergleute tiefgreifend ausgewirkt. Sie waren als Jugendliche in den harten Konflikt gezogen und als ausgewachsene Männer zurückgekommen.
Harte Arbeit erwartete Oreste und Giulio. Es ging darum, einen Landwirtschafsbetrieb wieder in Gang zu setzen, der lange Zeit notwendigerweise vernachlässigt worden war.
Wertvoll waren dabei auch die neuen Technologien, die sie an der Landwirtschaftsschule von San Michele all‘Adige erlernt hatten, bevor man sie zu den Waffen rief. Man begann mit der Arbeit im Landwirtschaftsbetrieb von Lasino. Man widmete sich den Feldern, den Weinbergen, den Ställen. Die Kellerei und die kleine Brennerei wurden umgebaut. Viel Mühe wurde jedoch auch auf den Landwirtschaftsbesitz bei Masi di Lasino (heute Pergolese) verwandt. Oreste und Giulio gingen jeden Tag frühmorgens nach “Sarca” hinunter und kamen abends zusammen mit einer zahlreichen Brigade anderer Bauern nach Lasino zurück.
Im Jahr 1926 heiratete Oreste Bianca Pisoni aus Calavino, während Giulio im Jahr 1927 Erminia Segalla aus Vigne di Arco heiratete.
Im Lauf des Jahres 1927 erfolgte die endgültige Übersiedelung nach Masi di Lasino. Die beiden Familien von Oreste und Giulio wohnten im alten, jedoch entsprechend umgebauten Wohnbau neben dem Berg.
Im Leben von Oreste und Giulio war von besonderer Bedeutung die große Wirtschaftskrise von 1929. Während der ersten Deflationsphase standen dem Erwerb der Rohstoffe zu bestimmten Preisen und den Investitionen in Strukturen ständig sinkende Preise für die Endprodukte gegenüber. Die Rechnung ging nicht mehr auf. Niemand kaufte, weil niemand Geld hatte. Durch die darauffolgende Inflation im Rahmen der Krise verbesserte sich dieser Zustand. Auch die Schulden konnten nach und nach abgezahlt werden.
Die große Krise ging endlich vorüber und das Leben im Betrieb Pisoni nahm wieder seinen normalen Lauf. Der bisher einseitige Betrieb fand mit zunehmendem Wachstum neue und ausgeprägte Diversifizierungen: Bebauen der Felder, Kellerei, Brennerei. Jedes Mitglied der Familien Pisoni war in der Lage, in jeder dieser Branchen mitzureden. Das ist der große Starkpunkt des Betriebs. Für Oreste bleibt die Landwirtschaftstätigkeit vorrangig, während Giulio sich mit dem Management befasst, d.h. mit den Aspekten der eigentlichen Verwaltung, besonders in Bezug auf die Kellerei und die Brennerei.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs (nach der Invasion Polens durch Hitler am 1. September 1939), der für Italien mit der Kriegserklärung gegen England und Frankreich am 10. Juni 1940 begann, wurden die Pisoni aus Masi di Lasino nicht zu den Waffen gerufen. Oreste und Giulio waren schon älter und ihre Söhne noch zu jung.
Während des Zweiten Weltkriegs hatte Oreste sechs Kinder: Angela, Lucilla, Vittorina, Gino, Franco und Lodovica. Später kam Cecilia zur Welt. Giulio dagegen hatte vier Kinder: Enrica, Arrigo, Vittorio und Giulia. Die beiden Familien lebten gemeinsam unter dem gleichen Dach und versammelten sich mittags und abends gemeinsam um den gleichen Tisch.
Arrigo, damals noch ein Kind, erinnert sich lebhaft an das Hin- und Her von kleinen und großen, von Pferden, Eseln oder Ochsen gezogenen Karren mit Trester und an die Verzweiflung und den Ärger seines Vaters Giulio und seines Onkels Oreste, wenn von überall, speziell aus den Judikarien, kleine Mengen Trester eintrafen, die vertrocknet, verschimmelt, verfault oder versauert waren und von den armen Erzeugern den zugelassenen Brennereien angeliefert wurden.
Trotz der Härte der Kriegszeit war das Leben der Familien von Giulio und Oreste Pisoni recht glücklich. Sie litten keinen Hunger, schwelgten aber auch nicht im Überfluss. Polenta war die Hauptnahrung. Gelegentlich überflogen die englisch-amerikanischen Bombenflugzeuge das Gebiet, um dort ihre tödliche Last fallen zu lassen. Vorsichthalber wurde im Fels neben der Brennerei ein kleiner Luftschutzbunker eingerichtet, der Jahre später zu einem großen, kühlen Weinkeller wurde, der für die Lagerung von Spumante ideal ist.
Zwischen Neffen und Brüdern entstanden natürliche Affinitäten in der Schule, bei der Arbeit, beim Spiel. Besonders Gino und Arrigo waren stets beisammen. Sie hatten zahlreiche gemeinsame Interessen und blieben ihr Leben lang zusammen, in der Schule, bei der Arbeit, im Beruf.